Die Natur vor meinen Fenstern gibt in diesen Tagen alles. Doch ich habe ein Problem. Schubkarrenweise hole ich derzeit Efeu-Ehrenpreis aus meinen Beeten.
Bei meinem englischen Lieblingsgärtner Monty Don lese ich die alte Bauernregel: Wer Unkraut nur ein Jahr stehen lässt, kann sieben Jahre jäten gehen. Da habe ich wohl in den Vorjahren etwas versäumt, gestehe ich mir ein. In einem Gartenbuch lese ich, dass das einjährige, meist liegende Unkraut am besten auf lockeren, nährstoffreichen und milden Lehmböden gedeiht. Genau diesen Nährboden findet Veronica hederifolia bei mir zuhauf. Die Samen des Ehrenpreis‘ tragen ein Elaiosom zur Verbreitung durch Ameisen, was zum massiven Auftreten der Pflanze in meinem Garten außerdem beigetragen haben könnte.
In einem anderen Gartenbuch erfahre ich, dass sich im Gartenboden eine reinste Samenbombe befindet. Unkrautpflanzen hätten eine ganze Reihe schlauer Tricks, um zu überleben. Sie produzierten oft horrende Mengen an Samen. Laut einer Statistik befinden sich in den 15 Zentimetern oberster Bodenschicht auf einem Hektar Land mindestens 555 Millionen Samen. Innerlich stöhne ich auf. Wer soll dieser Fülle Herr werden?
Ich bekomme Trost von verschiedenen Seiten. Bestimmt könne man die Pflanze in Salate oder Smoothies mischen, höre ich. Und tatsächlich schwören einige Wildkräuterliebhaber darauf. Die Ehrenpreis-Blätter und Blüten sind reich an Vitaminen und Eisen. Doch der Geschmack lässt zu wünschen übrig: Wenig aromatisch und eher bitter. Ich stelle mir auch vor, wieviel Grünzeug ich essen müsste, damit sich Angebot und Nachfrage in meinem Garten in Balance halten. Meine kleine Recherche ergibt, dass der Efeu-Ehrenpreis bis vor 100 Jahren ein hochgelobtes Heilkraut war, wovon sein alter Name „Allerweltsheil“ kündet. In der heutigen Zeit wird er dagegen nur noch gelegentlich in der Naturheilkunde verwendet, denn viele andere Heilpflanzen lassen sich meist gezielter einsetzen.
Während ich so darüber nachdenke, kommt mir ein Gespräch mit Gerda in Sinn. Du hast bestimmt auch Gartenfehler gemacht, sagte sie mit Blick auf ihre eigene Gartengeschichte. Gemacht? Ich mache sie jeden Tag neu. Und bin mir sicher, dass dies so bleiben wird. Mein Garten als Universum, wird mich immer wieder Neues lehren. Z.B. dass ich mir verzeihen können muss, um nicht unzufrieden die nächste Schubkarre mit Unkraut zu füllen.