Meine Freundin S. und Ihr Mann sind nicht nur Garten- sondern auch Vogelfreunde. In ihrem Refugium südlich von Schwerin gibt es zahlreiche Nistmöglichkeiten für die kleinen Flieger.
Urlaubstage werden genutzt, um Vögel der verschiedensten Art zu beobachten und zu fotografieren und natürlich sind die Freunde auch dabei, wenn es bei der alljährlichen Stunde der Gartenvögel gilt, die Anzahl der Gefiederten Gesellen zu zählen. Bei diesem Background verwundert es nicht, dass die Freundin zu Weihnachten ein Buch schenkte – nicht zu Gärten, sondern zu Vögeln. 22 federleichte Lektionen für Menschen enthält die „kleine Philosophie der Vögel“ der französischen Autoren Élise Rousseau und Philippe J. Dubois. Nun könnten wir, die wir meinen, so vielen Tieren überlegen zu sein, uns fragen, was wir denn von Vögeln lernen könnten?
Doch die Journalistin, die sich seit Jahren im Naturschutz engagiert und über Natur- und Tierthemen schreibt und der Ornithologe und Autor, der den ältesten Verlag für Tier- und Pflanzenwelten in Frankreich leitet, laden uns ein, beim Blick auf die Natur neue Perspektiven einzunehmen. „Die Vögel, die ihren Alltag mit Spontaneität und Leichtigkeit meistern, können uns vieles lehren, wenn wir ihnen nur zuhören“, sind die Autoren überzeugt. Das Huhn im Sandbad beispielsweise lehrt uns die Kunst, das Leben in vollen Zügen zu genießen.
Raben und Geier werfen Fragen auf zur Hierarchie der Macht. Bei der Verwegenheit des Rotkehlchens stellt sich die Frage, ob Neugier tatsächlich eine Untugend ist. Gleichberechtigung könnten wir von der Turteltaube lernen. Wie sieht die beste Strategie bei der Liebe aus? Hat der vernünftige Pinguin oder aber die triebgesteuerte Ente mehr Erfolg? Und die Mauser beispielsweise der Stockenten führt uns vor Augen, dass genau wie die Vögel auch wir Menschen zuweilen Phasen des Rückzugs, des Sammelns von Kräften brauchen, um gestärkt aus Krisen hervor gehen zu können. Wer die eingängige und inspirierende Lektüre genossen hat, wird sich der Botschaft der Autoren sicherlich nicht mehr verschließen: „Wir sollten die Rückverbindung zur Natur suchen, für ein Leben, erfüllt von Unwägbarkeiten und sinnlichen Erfahrungen… Sobald wir die Poesie in unser Leben einladen, ist es vorbei mit der Monotonie.“ Also ab in die Natur, besser noch in den eigenen Garten, und den Vögeln beim Leben zuschauen!